Verwendung geschlossener Sicherheitssysteme bei der Verabreichung von CMR-Medikamenten zur Reduzierung des Risikos einer berufsbedingten Exposition

HOUDA CHARHI AND BRUNO ZEITOUN

Ärzte und onkologische Pflegefachkräfte, die eine Chemotherapie vorbereiten und verabreichen, sind potenziellen Kontaminationsrisiken im Zusammenhang mit zytotoxischen Arzneimitteln ausgesetzt. Diese Risiken können gesundheitliche Auswirkungen haben, die von kurzfristigen Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen usw. bis hin zu schwerwiegenderen Erkrankungen wie Krebs und Fortpflanzungsproblemen reichen.

Mit der steigenden Prävalenz von Krebsfällen nimmt auch die Exposition der Beschäftigten im Gesundheitswesen gegenüber diesen CMR-Medikamenten (C=Carzinogen, M=Mutagen, R=Reproduktionstoxisch) zu, wodurch ihre Gesundheit gefährdet wird.

In diesem Blogbeitrag liegt unser Hauptaugenmerk auf der sicheren Verabreichung von Zytostatika. Die spezifischen Risiken, denen Gesundheitspersonal in diesem Zusammenhang ausgesetzt ist, wurden anhand von Belegen aus der Literatur untersucht. Closed Safety Systems for Administration (CSSAs), die speziell für die Verabreichung von CMR-Medikamenten entwickelt wurden, werden als wichtige Möglichkeit zur Unterscheidung von CSTDs vorgestellt, bei denen es sich um Systeme bei der Herstellung von CMR-Medikamenten handelt, die üblicherweise in Apotheken verwendet werden.

Beide Sicherheits-Systeme haben ein gemeinsames Ziel: das Expositionsrisiko bei der Vorbereitung von Chemotherapien zu reduzieren und das Kontaminationsrisiko für Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger, bei der Verabreichung der Chemotherapie an den Patienten,  (über eine Infusionsleitung, eine Spritze oder eine Elastomerpumpe) zu verhindern.

Was sind CMR-Medikamente?

Gemäß den Leitlinien für den sicheren Umgang mit gefährlichen, hochwirksamen Arzneimitteln am Arbeitsplatz 1 sind CMR-Medikamente als Arzneimittel definiert, das einen oder mehrere Stoffe enthält, die die Kriterien für die CMR-Klassifizierung (krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend) erfüllen:

Zu den gefährlichen Arzneimitteln gehören zytotoxische, zytostatische und antineoplastische Arzneimittel, die für Zellen (einschließlich gesunder Zellen) hochtoxisch sind und viele von ihnen sind als CMR klassifiziert. Diese Arzneimittel werden in einer Vielzahl von klinischen und Laborumgebungen zur Behandlung von Krebs und anderen Erkrankungen eingesetzt.

Es gibt eine anhaltende Diskussion darüber, ob monoklonale Antikörper (MABs) auch in diese Kategorie fallen. Monoklonale Antikörper werden zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen in der Hämatologie und Onkologie, bei Transplantat-Abstoßungen sowie bei Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Einige konjugierte monoklonale Antikörper und ein monoklonaler Antikörper, der nicht an ein Zytotoxin konjugiert ist, wurden in die Liste der antineoplastischen und anderen gefährlichen Arzneimittel im Gesundheitswesen des National Institute for Occupational Safety and Health (NIOSH) aufgenommen.

Risiken einer berufsbedingten Exposition mit zytotoxischen Arzneimitteln

Die Kontamination mit CMR-Medikamenten wurde seit 1970 dokumentiert. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Exposition gegenüber zytotoxischen Arzneimitteln sowohl zu unmittelbaren als auch zu dauerhaften Gesundheitsproblemen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen führen kann. Zu den akuten Auswirkungen gehören Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen, Hautausschläge, Durchfall, Husten, dünner werdendes Haar und Haarausfall.2,3

Darüber hinaus haben Forschungsarbeiten immer wieder gezeigt, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen unter chronischen gesundheitlichen Auswirkungen leiden können, einschließlich erhöhter Raten von Fehlgeburten, angeborenen Missbildungen, Unfruchtbarkeit und Krebs.4 Bislang gibt es mehr als 100 klinische Arbeiten, in denen über unerwünschte Ereignisse und Kontaminationsrisiken bei Krankenschwestern berichtet wird, die einer beruflichen Exposition ausgesetzt sind. Der erste überzeugende Nachweis wurde 1979 von Falck et al5 erbracht, als im Urin von Krankenschwestern, die Patienten Chemotherapie verabreichten, eine Kontamination festgestellt wurde. Ein weiteres Beispiel ist eine Studie von Skov et al. aus dem Jahr 1992, in der ein erhöhtes Leukämierisiko bei Krankenschwestern in der Onkologie festgestellt wurde, die im dänischen Krebsregister erfasst waren.6

Außerdem schätzte die EU-Kommission 2012, dass bis zu 107.000 Krebstodesfälle auf die berufliche Exposition gegenüber krebserregenden Stoffen zurückzuführen sein könnten. In Europa wurde 2017 berichtet, dass die berufliche Exposition gegenüber diesen Stoffen zu mehr als 17.000 Fehlgeburten und mehr als 10.000 Fortpflanzungsschäden führte und für 2.220 neue Leukämiefälle bei Angehörigen der Gesundheitsberufe verantwortlich war.7

 

Wie kann es zu einer Kontamination während der Verabreichung kommen?

Laut dem Artikel „Controlling Occupational Exposure to Hazardous Drugs“ der Occupational Safety and Health Administration (OSHA)8 kann die Kontamination von Beschäftigten im Gesundheitswesen mit zytotoxischen Arzneimitteln auf verschiedenen Wegen erfolgen:

Inhalation: Die Inhalation von Aerosolen ist ein möglicher Expositionsweg, bei dem Mikropartikel beim „Aufziehen eines Medikamentes aus einer Ampulle“ oder beim „Einführen oder Entfernen von Schläuchen aus Infusionsbehältern“, über die Nasen- oder Mundschleimhaut aufgenommen werden.

Exposition über die Haut: Die Exposition bei der Verabreichung von Zytostatika erfolgt hauptsächlich über die Haut, wenn flüssige Zytostatika auslaufen oder verschüttet werden, z. B. beim „Anschließen oder Abklemmen von Infusionsschläuchen oder Spritzen“ oder beim „Ansaugen von Luft aus Infusionssets oder Spritzen“. Ein weiterer Faktor ist der Kontakt mit kontaminierten Oberflächen am Arbeitsplatz.

Die Exposition durch Verschlucken ist vernachlässigbar, da Essen und Trinken während der Handhabung mit zytotoxischen Arzneimitteln verboten ist. Dennoch kann es durch Hand-zu-Mund-Kontakt zu einer Exposition durch Verschlucken kommen.

Schutz der Beschäftigten im Gesundheitswesen durch CSTDs:

In den letzten Jahren sind in der Gesundheitsbranche innovative Medizinprodukte entwickelt worden, die die Sicherheit der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die mit der Zubereitung, Verabreichung und Handhabung zytotoxischer Arzneimittel zu tun haben, erheblich verbessern sollen.

Das National Institute for Occupational Safety and Health (Nationales Institut für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz) hat 2004 zum ersten Mal die Definition eines Closed-System Transfer Device (CSTD) als „Medikamenten-Transfer-System, welches mechanisch das Eindringen von Kontamination aus der Umwelt in das System und das Entweichen oder Vaporisieren des CMR-Medikaments in die Umgebung verhindert“ eingeführt.

Die Forschung hat die Wirksamkeit von CSTDs bei der Reduzierung des Kontaminationsrisikos bei der Chemotherapie unterstrichen. In einer von Bartel et al. im Jahr 2018 durchgeführten multizentrischen Evaluierung bewerteten die Autoren die Wirksamkeit von CSTDs bei der Verringerung der Oberflächenkontamination während der Zusammenstellung und simulierten Verabreichung von gefährlichen antineoplastischen Medikamenten. Ihre Ergebnisse zeigten, dass in den Verabreichungsbereichen allein die Rate der bereits vorhandenen Kontamination 78 % betrug, während im Vergleich dazu eine Kontaminationsrate von 2,6 % bei Verwendung von CSTDs festgestellt wurde.9

CSSA – Closed Safety System for Administration vs. CSTDs

Bei der Herstellung medikamentöser Tumortherapie sind CSTDs bereits flächendeckend im Einsatz und tragen dort dazu bei, dass die Kontamination an der Außenseite der Infusionsbeutel deutlich reduziert wird.10 Im Rahmen der Applikation (CSSAs) medikamentöser Tumortherapie sind sie in deutschen Kliniken aber noch weitestgehend unbekannt. CSSAs bieten eine geschlossene Konnektionsstelle zwischen den beiden Infusionssystem-Enden. Integriert in ein Infusionssystem bedeutet dies, dass im Unterschied zu Luer Lock nur dann ein Infusionsfluss möglich ist, wenn die beiden Enden korrekt miteinander verbunden sind. Ohne Verbindung ist kein Auslaufen von Flüssigkeit möglich, wie dies bei Luer Lock bei geöffneter Klemme der Fall sein könnte. Eine mögliche Handlung, bei der durch CSSAs Kontaminationen von Pflegenden reduziert werden, ist das Dekonnektieren des gespülten Infusionssystems nach der Zytostatika-Applikation.11
So zeigen aktuelle Studien, dass es trotz Spülen unabhängig vom Spülvolumen (50–100 ml) nicht gelingt, die Infusionssysteme frei von Zytostatika-Residuen zu bekommen. In beiden Studien wird aufgrund dieser Erkenntnisse darauf hingewiesen, dass selbst nach gründlichem Spülen des Infusionssystems eine Kontamination angenommen werden kann und deshalb die Verwendung von Infusionssystemen mit CSSAs empfohlen wird.12

Schlussfolgerung

Die Unterschätzung der Expositionsrisiken, denen Krankenschwestern und Krankenpfleger bei der Verabreichung von zytotoxischen Arzneimitteln ausgesetzt sind, erfordert größere Aufmerksamkeit von allen Beteiligten. Während Maßnahmen ergriffen werden, um Apotheker bei der Herstellung von zytotoxischen Arzneimitteln zu schützen, wird die Sicherheit des Pflegepersonals in der Tagespflege oder im Krankenhaus nicht ausreichend berücksichtigt. Die historisch bedingte begrenzte Verwendung von CSSA bei der Verabreichung sowie die mangelnde Aufklärung und das fehlende Bewusstsein für die damit verbundenen Risiken behindern deren Einsatz bei der Verabreichung. Die Förderung des Einsatzes von CSSAs kann die Praktiken in diesem Bereich verändern und die Gesundheit der Beschäftigten schützen.

Quellen:

1) European Commission – Guidance for the safe management of hazardous medicinal products at work – 04/2023

2) ONS, Safe handling of hazardous drugs, Second Edition – https://www.ons.org/sites/default/files/publication_pdfs/2_Safe%20Handling_pages_CHAPTER_1.pdf

3) Jeffrey Lombardo and Christine Roussel, Highlighting the risk of occupational exposure to hazardous drugs in the healthcare setting, November 2018 – https://www.pharmacytimes.com/view/highlighting-the-risk-of-occupational-exposure-to-hazardous-drugs-in-the-health-care-setting-

4) CDC, Preventing Occupational Exposures to antineoplastic and other hazardous drugs in healthcare settings, September 2004 – https://www.cdc.gov/niosh/docs/2004-165/pdfs/2004-165.pdf

5) Falck et al. Mutagenicity in urine of nurses handling cytostatic drugs Lancet Journal 1979 – https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/87722/

6) Skov et al. 1992, Leukaemia and reproductive outcome among nurses handling antineoplastic drugs – https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1061216/

7) The Parliament Magazine, Preventing the exposure of nurses and health professionals to hazardous drugs, June 2017 – https://www.theparliamentmagazine.eu/articles/partner_article/efn/preventing-exposure-nursesand-health-professionals-hazardous-drugs

8) Occupation Safety and Health Administration, Controlling occupational exposure to hazardous drugs – https://www.osha.gov/hazardous-drugs/controlling-occex

9) Bartel et al, Am J Health-Syst Pharm, Multicentre evaluation of a new closed system drug-transfer device in reducing surface contamination by antineoplastic hazardous drugs, 2018, Volume 75 – https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29339374/

 10) Vyas N, Yiannakis D, Turner A, Sewell GJ (2014) Occupational exposureto anti-cancer drugs: A review of effects of new technology. J OncolPharm Pract 20: 278–287. https://doi.org/10.1177/1078155213498630

11) Matthias Naegele (2024) Sichere Applikation von CMR-Medikamenten in der Onkologie 2.0, Onkologische Pflege S. 65

12) Claraz P, Riff I, Vert C et al. (2020) Assessment of efficacy of postinfusion
tubing flushing in reducing risk of cytotoxic contamination. Am J Health Syst Pharm 77: 1866–1873. https://doi.org/10.1093/ajhp/zxaa357

Link zum Originalbeitrag: https://vascufirst.com/safety-in-hd-administration/using-closed-safety-systems-for-administration-cssas-to-reduce-risks-of-occupational-exposure-to-hazardous-medical-products-hmps/

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